Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/128, 9.10.1996

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags des Abgeordneten Wolfgang Schmitt
(Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Hermes-Bürgschaften für den
Drei-Schluchten-Staudamm in China


-- Drucksache 13/5399 --
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)
Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache
eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen zehn Minuten erhalten soll. -- Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist es so beschlossen.
 Ich eröffne die Aussprache. Zunächst bitte ich um Ihre Zustimmung
dazu, die Rede des Kollegen Erich Fritz zu Protokoll geben zu
dürfen. -- Das ist der Fall. Dann geschieht das so. )
 Als erster hat der Kollege Wolfgang Schmitt das Wort.
Wolfgang Schmitt (Langenfeld) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat
kürzlich beschlossen, die beantragten Bürgschaften für das Drei-
Schluchten-Staudamm-Projekt in der Volksrepublik China
grundsätzlich zu befürworten. Ich halte das für einen weiteren
zweifelhaften Schritt zur Normalisierung der deutsch-chinesischen
Beziehungen --
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie müssen zunächst eine
Ortsbesichtigung veranstalten!)
"business as usual", die alte Devise. Auf diese Weise kommt der
Bundesaußenminister zu einem, denke ich, ihm willkommenen
Gastgeschenk für seine nächste Chinareise. Das ist auch schon
etwas.
 Für das Parlament ist diese Entscheidung, wo doch bekannt war,
daß sich der Bundestag mit dem Thema beschäftigen wird, ein
Affront.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was soll eigentlich die parlamentarische Debatte, wenn die
Entscheidung von seiten der Bundesregierung längst gefallen ist?
 Nur durch Hinweise der amerikanischen Umweltbewegung und aus dem
Umfeld der Export-Import-Bank, dem amerikanischen Pendant zu
Hermes, habe ich überhaupt erfahren können, daß eine
Bürgschaftszusage erteilt worden ist. Wer hier in Bonn nachfragt,
bewegt sich zwischen Sprechverboten der Beteiligten in den
Ministerien und kryptischen Hinweisen, die Entscheidung sei schon
längst gefallen. Einen solchen Umgang mit dem Parlament würden
sich unsere amerikanischen Kollegen nicht gefallen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der
SPD)
 Die Bundesregierung sollte einmal erklären: Warum gibt es bei
solchen Projekten, deren Dimension durchaus aus dem Rahmen fällt,
kein Verfahren, wie es aus den Vereinigten Staaten bekannt ist?
Dort können in öffentlichen Anhörungen, wie im vorliegenden Fall
passiert, Firmen ihre wirtschaftlichen Interessen genauso darlegen
wie Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsgruppen die
ökologischen und sozialen Bedenken -- hier mit dem Ergebnis, daß
die amerikanische Exim-Bank keine staatlichen Garantien für
Exporte in Sachen Drei-Schluchten-Staudamm gewährt. Gleiches gilt
im übrigen für Japan.
 Hierzulande hingegen haben wir den interministeriellen Ausschuß,
in dem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung wohl seine Bedenken vortragen kann, aber
offensichtlich nach dem Motto "Nur keinen Ärger" auf ein Veto
verzichtet hat.
 Das hier zur Debatte stehende Beispiel zeigt, wie nötig ein
transparentes und formalisiertes Verfahren zur Gewichtung
ökologischer, sozialer und entwicklungspolitischer Faktoren ist.
Damit wäre endlich für Außenstehende nachvollziehbar, welche
Argumente der Regierungsentscheidung zugrunde liegen.
 Aber selbst die Bundesregierung, die in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage des Kollegen Hauchler zu den Hermes-Bürgschaften
die Einführung eines transparenten und formalisierten Verfahrens
ablehnt, betont, daß die Übereinstimmung der Vorhaben mit den
wesentlichen entwicklungspolitischen Zielen der Bundesregierung
untersucht werde. Sie führt weiter aus -- ich zitiere --:
Daneben erlangt das Kriterium der Umweltverträglichkeit zunehmende
Bedeutung bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit eines
Hermes-Geschäftes.
Für Projekte,
-- so die Bundesregierung weiter --
die aus schwerwiegenden ökologischen oder entwicklungspolitischen
Gründen als nicht förderungsfähig erscheinen, werden Hermes-
Bürgschaften nicht übernommen.
 An anderer Stelle heißt es in derselben Antwort:
Projekte, die geeignet sind, der Verletzung von Menschenrechten
Vorschub zu leisten, sind nicht förderungswürdig im Sinne der
Richtlinien für die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen und
werden deshalb nicht abgedeckt.
 Im Lichte dieser Antwort werden Sie zu begründen haben, warum Sie
zu einer für die antragstellenden Firmen positiven Entscheidung
gekommen sind.
 Glauben Sie ernsthaft, die beabsichtigte Umsiedlung von mehr als
einer Million Menschen sei unter den derzeit herrschenden
politischen Bedingungen in der Volksrepublik China
menschenrechtsverträglich zu bewerkstelligen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Allen Fachleuten ist doch klar, daß die Planung einer Umsiedlung
dieser Größenordnung in keinem anderen Land der Erde die
Schreibstube der Planer je verlassen hätte. Wenn überhaupt, dann
wird die chinesische Regierung dieses Projekt nur mit schärfster
Repression umsetzen können. Bestimmte Polizeieinheiten werden
internen Quellen zufolge schon jetzt auf die zu erwartenden
Auseinandersetzungen vorbereitet.
(Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Entwicklungshilfe!)
 Wer die innerchinesische Kontroverse in der Vergangenheit auch
nur annähernd verfolgt hat, weiß, wie umstritten dieses Projekt in
China selbst ist. Die Umsiedlung wirft zahlreiche ungeklärte
Fragen auf: Wird es überhaupt Arbeitsplätze für die umgesiedelten
Menschen geben?
 Das Jangtsetal, in dem der Staudamm gebaut werden soll, ist sehr
fruchtbar. Schon jetzt ist klar, daß die Bauern in Gebiete mit
schlechteren Böden umgesiedelt werden müssen. Um die gleiche
landwirtschaftliche Produktion zu erreichen, wird schätzungsweise
fünfmal soviel Land gebraucht.
 Nun führen gerade in jüngster Zeit die Befürworter zwei Argumente
für den Bau des Staudamms an. Erstens: Nach den schweren
Überschwemmungen des Jangtse sei ein wirksamerer Hochwasserschutz
vonnöten. Zweitens: Der prognostizierte zukünftige Energiebedarf
der Volksrepublik China erfordere die verstärkte Nutzung der
Wasserkraft.
 Zum ersten Argument. Natürlich muß der Hochwasserschutz
verbessert werden, wie es die Überschwemmungen in diesem Jahr
gezeigt haben. Die Frage ist nur, wie das geschehen soll. Ob das
durch diesen Staudamm erfolgen kann, ist sehr zweifelhaft. Durch
die Trockenlegung von Überflutungszonen und die unkontrollierte
Abholzung, durch die die Bodenerosion vorangetrieben worden ist,
sind doch erst die Hochwasserrisiken verschärft worden, die in
dieser Region eh schon bestehen.
 Dieses Problem ist uns en miniature sehr wohl aus der
Bundesrepublik Deutschland bekannt. Ich erinnere nur an die
Einsargung und die unkontrollierte Regulierung von Flüssen, bei
der die einzelnen Dynamiken von Flußökosystemen nicht entsprechend
berücksichtigt worden sind.
 Zum zweiten Argument Energiebedarf. Die Ineffizienz der
chinesischen Industrie, auf die zwei Drittel des Energieverbrauchs
entfällt, ist legendär. Hier könnte die Bundesrepublik Deutschland
eine positive Rolle beim Umbau der alten Industrien spielen,
beispielsweise in der Stahlindustrie, in der Düngemittelproduktion
oder bei der Einführung regenerativer Energien.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
 Ich kann die ökologischen Probleme des Dammbaus hier nur
erwähnen: der verstärkte Dünger- und Pestizideinsatz infolge der
Umsiedlung auf schlechtere Böden oder das befürchtete Aussterben
bestimmter Tierarten wie zum Beispiel des chinesischen
Flußdelphins.
 Ich will aber kurz die ökonomischen Aspekte des Staudammbaus
ansprechen -- eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Die
Baukostenschätzung beläuft sich schon jetzt auf fast 75 Milliarden
US-Dollar und entspricht damit ungefähr dem Gesamtdevisenbestand
der Volksrepublik China. Die Versuche, privates Kapital am US-
amerikanischen Markt zu akquirieren, sind zumindest bis jetzt
gescheitert. Die Weltbank hat ebenfalls abgewunken. -- Die
Finanzierung dieses Projekts steht offensichtlich auf wackeligen
Füßen. Hier finanziell einzuspringen ist weder ökologisch noch
ökonomisch sinnvoll. Die Kosten wird der Steuerzahler zu tragen
haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der PDS
sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])
 Ich bin mir sicher, daß die Vorgehensweise der Bundesregierung
allen Kollegen, die eine ernsthafte ökologische und
entwicklungspolitische Debatte, auch eine über die ökonomische
Sinnhaftigkeit dieses Projektes wollen, gleichermaßen absurd
vorkommen muß, unabhängig im übrigen davon, wie im einzelnen die
Positionen der Kolleginnen und Kollegen aussehen werden. Für alle,
die sich in China selbst und international gegen das Projekt
engagiert haben, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, daß
ökologische und soziale Bedenken abermals dem kurzfristigen
Geschäfts- und vermeintlichen Staatsinteresse geopfert worden
sind.
(Beifall bei der SPD -- Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es
reicht langsam!)
 Exportförderung um jeden Preis, egal, wie viele Menschen darunter
zu leiden haben -- ich kann der Bundesregierung nur sagen: In
diesem Fall werden es unglaublich viele sein. Dieser Beschluß
steht in der Kontinuität Ihrer verfehlten Chinapolitik. Sie ist im
übrigen ja gestern noch von unserem Kollegen Heiner Geißler --
wenn man die Agenturmeldungen liest -- richtigerweise, finde ich,
kritisiert worden. Sie betreiben nicht nur stille Diplomatie,
sondern auch stille Wirtschaftsdiplomatie. Diese Diplomatie ist so
still, daß selbst das Parlament im unklaren gelassen werden soll.
Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.
 Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Herr
Kollege Hauchler.
(Parl. Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich: Halt dich zurück,
Ingomar!)
Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! "Halt dich zurück", wird mir von der
Regierungsbank gesagt. Ich halte mich nicht zurück.
 Wir reden heute über den größten Staudamm, der je in der Welt
gebaut worden ist. Er soll 75 Milliarden Dollar kosten, das sind
etwa 100 Milliarden DM. Herr Schmitt hat ja schon etwas über die
Risiken ausgeführt. Damit sollen 18 000 Megawatt Strom erzeugt
werden können. Aber die Probleme, die sich bei diesem Projekt
ergeben, bedeuten ein Megarisiko.
(Beifall bei der SPD)
Das muß man wissen. Trotzdem hat die Bundesregierung vor dieser
Debatte offenbar entschieden -- am Parlament vorbei --,
(Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Skandal!)
dieses Projekt auf die Schultern des Steuerzahlers zu laden. Denn
ich bin sicher, die Chinesen würden nicht verlangen, daß
Staatsbürgschaften gegeben werden -- wenn sie denn Aufträge
vergeben --, wenn sie sicher wären, daß sie die Zahlungen auf
andere Weise leisten könnten. Das ist auch ein großes Risiko für
den Steuerzahler.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
 Es ist von den Risiken gesprochen worden, nämlich von riesigen
Umsiedlungsproblemen, die auch in ökonomischer Hinsicht überhaupt
nicht kalkuliert sind, von möglichen Dammbrüchen mit verheerenden
Wirkungen, von immensen Kunstschätzen, die in den Fluten versinken
und von ökologischen Problemen. Dabei ist das Entscheidende nicht
genannt worden. Entscheidend ist -- darauf möchte ich den Akzent
legen --: Es handelt sich hier um einen planwirtschaftlichen
Dinosaurier alten Stils, den Sie unterstützen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS --
Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Unglaublich!)
Da soll der Traum einer kommunistischen Staatsregierung erfüllt
werden, mit Hilfe von Staatsbürgschaften des deutschen
Steuerzahlers. Das ist ein Skandal. Es ist ein interessantes
Bündnis von Kapital und alter Planwirtschaft, das Sie hier
realisieren helfen.
 Das wirtschaftliche und finanzielle Risiko ist immens. 75
Milliarden Dollar kostet dieses Projekt. Dafür müssen die Chinesen
jährlich einen Schuldendienst von mindestens 8 Milliarden Dollar
leisten. Diese Gelder gehen für eine breite Entwicklung in China
verloren. Der Strom, der hier erzeugt werden soll, kommt nicht den
Dörfern, den Bauern und den Menschen zugute, sondern immer wieder
der gleichen Großindustrie, die sich mit unseren Konzernen
verbündet.
 Die Dimensionen sind so groß, daß die Finanzierung völlig ungewiß
ist; die Rückzahlung ist ungewiß. Interessant ist ja -- da müssen
Sie auf der rechten Seite des Hauses einmal kritisch zuhören --:
Alle privaten Banken halten dieses Projekt wirtschaftlich für
völlig ungewiß; die Rentabilität ist unbekannt; die Möglichkeit
der Rückzahlung ist unbekannt; die politischen Risiken sind
unbekannt.
(Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die
Bundesregierung hat den besseren Riecher!)
 Der Beweis, daß die Finanzierung auf tönernen Füßen steht, liegt
ja darin -- das habe ich gesagt --, daß China keine
Staatsbürgschaften verlangen und die Staaten mit einer solchen
Forderung erpressen würde, wenn man sicher wäre, daß es auch auf
andere Weise pünktlich zurückzuzahlen wäre.
 Es gibt Alternativen zu diesem Projekt. Es gibt 2 000 Standorte
im Bereich des gesamten Einzugsgebietes Jangtse, die für kleinere
dezentrale Energieversorgungsunternehmen in Frage kämen.
Wasserkraftwerke sind da besser als Kohlekraftwerke; das ist
richtig.
 Es gibt auch die Alternative, Energie einzusparen. Durch die
Kohlekraftwerke in China wird eine unglaubliche
Umweltverschmutzung verursacht. Dieses Problem läßt sich aber
nicht durch ein Großkraftwerk mit neuen Risiken lösen, sondern nur
dadurch, daß man dezentrale Formen der Wasserenergiegewinnung ins
Auge faßt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
 Die Bundesregierung hat sich trotz der Risiken für die
Staatsbürgschaft entschieden. Es profitieren ganz wenige und wie
immer die größten Konzerne in Deutschland davon: Siemens natürlich
vorneweg, gefolgt von Voith Hydro und Liebherr. Ich wünsche diesen
Unternehmen gute Geschäfte. Das kann auch in unserem Interesse
sein. Aber wir wissen auch, daß gerade die Subventionen für solche
Großkonzerne, für solche Großanlagen zu den geringsten
Beschäftigungswirkungen führen. Es wäre besser, man würde kleinen
und mittleren Betrieben im internationalen Geschäft über Hermes-
Bürgschaften mehr Chancen geben. Man würde damit wahrscheinlich
ökologisch, entwicklungspolitisch, aber auch beschäftigungswirksam
größere Effekte erzielen.
(Beifall bei der SPD)
 Zu den Motiven der Bundesregierung. Ist es Wiedergutmachung für
die Resolution des Bundestages zu Tibet? Soll wieder die Hand
gereicht werden von seiten der Regierung, weil sich der Bundestag
in der Tibet-Frage klar geäußert hat?
(Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist
es!)
Oder geht es wirklich nur darum, mit dem Geld und auf dem Rücken
des Steuerzahlers Subventionen für Großkonzerne in die Wege zu
leiten?
(Peter Dreßen [SPD]: Darum geht es!)
Darum geht es wahrscheinlich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt offenbar doch einen nicht auszutrocknenden Sumpf und einen
Filz zwischen dieser Koalition und der Großindustrie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
 Ein besonderer Skandal ist, daß die Bundesregierung, wohl
wissend, daß dieses Thema den Bundestag interessiert und daß wir
heute debattieren, diese Entscheidung in letzter Minute praktisch
doch noch auf den Weg gebracht hat. Dies ist ein Skandal.
(Staatsminister Helmut Schäfer: Nicht zu viel "Skandal" benutzen!)
-- Das ist ein Skandal, Herr Staatsminister, ein großer Skandal,
an dem wir auch leiden werden. -- Die Bundesregierung schließt
damit die Öffentlichkeit von einer Debatte über solche Fragen aus.
 Schauen Sie in die USA: Zum selben Projekt fanden im Kongreß
Anhörungen zu den ökologischen und zu den finanziellen Fragen
statt. Die Dinge wurden offengelegt, in der Presse besprochen.
Dann wurde entschieden. Die Bundesregierung wählt einen eigenen
Weg. Sie schließt die Öffentlichkeit aus. Sie schließt die
Steuerzahler davon aus, mit darüber zu diskutieren, wie auf ihre
Kosten Politik gemacht wird. Das ist ein Affront sondergleichen.
 Ich denke manchmal: Was haben die Fraktionen auf der rechten
Seite des Hauses eigentlich noch zu tun? Sie können gleich nach
Hause gehen, wenn sie nicht endlich auch mal die Kraft haben, im
Parlament gegenzuhalten und ihre Rechte einzuklagen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
 Die Opposition hat wiederholt gehandelt: mit mündlichen Anfragen,
mit Kleinen Anfragen. Es liegt ein Antrag vor.
(Zuruf der Abg. Birgit Homburger [F.D.P.])
-- Natürlich haben wir gehandelt.
 Lassen Sie mich schließen. Folgende Forderungen richten wir an
die Bundesregierung und an die entsprechende Seite des Hauses.
 Erstens. Revidieren Sie diese Entscheidung,
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Klaus-Jürgen Hedrich
[CDU/CSU]: Welche Entscheidung?)
Staatsbürgschaften für dieses Projekt zu geben! Das beläuft sich
auf eine Summe -- sie muß auch mal genannt werden -- von insgesamt
etwa einer halben Milliarde DM, also 500 Millionen DM. Revidieren
Sie diese Entscheidung! Lassen Sie eine öffentliche Debatte über
solche Projekte und über die Haltung der Bundesregierung zu
solchen Projekten zu! Sie haben noch eine Frist bis Ende Dezember.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
 Zweitens. Prüfen Sie doch wirklich seriös die Alternativen zu
einem solchen Mammutprojekt! Es gibt
diese Alternativen. Es gibt Machbarkeitsstudien. Der Trend geht
weg von diesen Großprojekten. Das wissen wir seit Jahrzehnten.
Viele sind gescheitert. Wir wissen aus der kommunistischen
planwirtschaftlichen Ära, wir wissen aus vielen
Entwicklungsländern, daß solche Projekte weder verwaltet werden
können noch ökonomisch sind, noch die Chance bieten, daß die
Menschen an Entscheidungen über diese Dinge mitwirken können.
Prüfen Sie also das noch einmal seriös, auch bezüglich der
Alternativen!
 Da ich gerade den Staatssekretär des BMZ hier sitzen sehe, sage
ich: Nehmen Sie als Teil des Entwicklungshilfeministeriums doch
einmal Ihre Verantwortung wahr!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
Drücken Sie sich doch nicht ständig! Sie sitzen doch in diesem
interministeriellen Ausschuß.
(Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Das ist wahr, das stimmt!)
Ich weiß, daß Bedenken geäußert worden sind. Wo zeigen Sie in
diesen Fragen einmal Rückgrat im Kabinett, um daran mitzuwirken,
daß von Ihrer Seite diese Fragen ernster wahrgenommen werden? Das
geht nur, wenn man auch einmal Widerstand entfaltet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg.
Manfred Müller [Berlin] [PDS] -- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]:
Das ist der Gummi-Hedrich! -- Gegenruf des Abg. Klaus-Jürgen
Hedrich [CDU/CSU]: Halt dich zurück!)
Also, prüfen Sie das! Sie sind einfach zu schlapp.
 Drittens und letztens. Ändern Sie endlich die grundsätzlichen
Vergabebedingungen für Hermes-Bürgschaften. Es muß wie in anderen
Ländern Öffentlichkeit hergestellt werden. Es ist das Geld des
Steuerzahlers. Der Steuerzahler hat ein Recht darauf, gewisse
Dinge zu erfahren. Schließen Sie nicht die Öffentlichkeit aus!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
 Die Umwelt- und Entwicklungsverträglichkeit bei diesen
Entscheidungen muß eine Rolle spielen, stärker als bisher. Das ist
in den USA der Fall. Die Exim-Bank in den USA hat sich wegen der
Umweltprobleme gegen eine Förderung entschieden. Wir unterlaufen
das.
 Unterstützen Sie mit Hermes-Bürgschaften nicht ständig die
heimatlosen Großkonzerne, die in Deutschland das Geld verdienen,
die Gewinne ins Ausland verschieben, dort investieren und dann
auch noch Subventionen vom hiesigen Steuerzahler wollen! Das
müssen Sie ändern.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
 Die SPD stimmt dem Antrag der Grünen zu. Ich hoffe, daß auch Sie
noch einmal darüber nachdenken.
 Danke schön.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt der Kollege
Türk.
(Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich
ja mal gespannt!
Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Bekanntlich ist China im Bundestag ein
sensibles Thema; das ist ja vielleicht auch nicht falsch.
Allerdings könnte man meinen, daß der Bau eines Staudamms nun
wirklich zu den inneren Angelegenheiten eines Landes gehört. Aber
die letzten Debatten haben uns gezeigt: Bei China ist alles
anders. Wir wollen dem Rechnung tragen.
 Die Arbeiten für dieses anspruchsvolle Wasserbauvorhaben -- jetzt
spricht der Bauingenieur -- sind schon angelaufen. Der Drei-
Schluchten-Damm am Jangtse soll drei Zwecke erfüllen:
Hochwasserschutz, Stromerzeugung und Erleichterung der Schiffahrt.
Das alles sind, Wolfgang Schmitt, eigentlich auch Ziele der
Grünen. Wenn man das ordentlich macht, dann entspricht das
eigentlich euren Forderungen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Türk, gestatten
Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hauchler?
Jürgen Türk (F.D.P.): Bitte.
Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Herr Kollege, Sie sagen, bei China sei
alles anders. Sie haben im Grunde recht, aber umgekehrt zu dem,
wie Sie es meinen: Dieses Parlament hat, wie andere Parlamente,
verhindert, daß in Indien und in Nepal ähnliche Projekte
verwirklicht werden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)
Aber in China ist natürlich alles anders. Stimmen Sie mir zu? Für
China gilt das alles nicht: die ökologischen Bedenken, die
menschenrechtlichen Bedenken, die entwicklungspolitischen Bedenken
und die ökonomischen Bedenken. Stimmen Sie mir zu, daß das auch so
verstanden werden kann?
Jürgen Türk (F.D.P.): Darauf werde ich noch eingehen. Daß so etwas
in Indien verhindert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Dazu fällt dir wohl nichts ein?
Das merkt man!)
 Man muß auf die Befürchtungen eingehen, die im Antrag geäußert
werden: Befürchtet wird, daß durch Überflutung von 1 000
Quadratkilometern -- das ist etwas übertrieben; in dieser Zahl ist
die heutige Flußfläche eingeschlossen -- ökologische Schäden
entstehen und daß dieser fruchtbare Flußschlamm für Gebiete
unterhalb des Staudamms verlorengeht.
 Ferner werden ökonomische Schäden durch hohe Investitionskosten
befürchtet -- Befürchtungen darf man ja äußern; das ist völlig in
Ordnung -- für den Fall, daß das Projekt in den Sand gesetzt wird.
Man befürchtet, daß dieses Geld China in anderen Bereichen fehlt.
Ich glaube nicht, daß das unbedingt unser Problem ist.
 Schließlich sehen die Antragsteller soziale Schäden durch
Umsiedlung von mehr als einer Million Menschen. Zugegebenermaßen
ist das eine riesige Anzahl.
 Weil dieses Projekt von deutschen Unternehmen mit realisiert wird
und dafür Hermes-Bürgschaften beantragt wurden, hat ein
interministerieller Ausschuß die Anträge vor Genehmigung
gewissenhaft zu prüfen. Ich glaube, das ist so in Ordnung. Wir
müssen darüber sprechen, daß in Zukunft die Öffentlichkeit
mitzureden hat.
 Natürlich ist die Prüfung aus der Ferne schwer bzw. unmöglich.
Ich stelle mir manchmal die Frage, Wolfgang Schmitt, wie man zu
solch ganz konkretem Wissen kommen kann. Es reicht mir nicht, das
einfach aus dem Gefühl heraus zu sagen. Natürlich ist das eine
wichtige Sache.
 Vorerst möchte ich noch einmal auf einen interessanten Artikel
vom 2. Oktober im "Handelsblatt" hinweisen. Dort wird das
eingehend untersucht, und man ist zu anderen Schlüssen gekommen.
Um sich nicht nur auf diesen Artikel zu beziehen, hat der
interministerielle Ausschuß Experten auf die Baustelle zu den
Planern nach China geschickt. Ich muß unterstellen: Man hat das
vor Ort ordentlich geprüft.
(Dr. Ingomar Hauchler [SPD]: Als ob man das auf der Baustelle
erfahren könnte!)
 Ich frage: Wozu gibt es Experten, Umweltexperten,
Wasserbauexperten und KfW-Experten, wenn sie nicht in der Lage
sind, so etwas abzuschätzen? Jedenfalls hat der interministerielle
Ausschuß nicht leichtfertig entschieden, sondern sich auf das
Urteil der Experten verlassen; er konnte sich sicherlich auch
darauf verlassen.
 Zu welchem Prüfergebnis kommen nun die Umwelt- und
Wasserbauexperten der KfW, die zur Überprüfung der Hermes-
Kreditierung Ende Juli/Anfang August die Baustelle und die
chinesischen Projektvertreter besucht haben? Ich habe bereits
gesagt: Die Überflutungsfläche ist natürlich riesig, aber nicht so
übertrieben groß, wie das angegeben wurde. Der Jangtse bleibt
weiterhin ein ganzjährig fließender Fluß, und es werden nur 8
Prozent des gesamten Jahresabflusses gespeichert. Das ist anders
als beim Assuan.
 Ökonomisch wird das Projekt als sicher eingestuft. Die
Wachstumsraten -- das ist allen bekannt -- sprechen mehr als für
sich, egal, um welches Wirtschaftssystem es sich handelt. Es ist
Fakt, daß dort Wachstumsraten zu verzeichnen sind, die nicht
erwartet worden sind.
 Durch zahlreiche einfließende Nebenflüsse wird die Wasserfüllung
des Jangtse nach dem Bau des Staudamms verdoppelt. Damit ist auch
das Flußschlammproblem geklärt. Es kommt neuer Schlamm, der zu
Düngezwecken benutzt werden kann, hinzu. Das Argument ist also
hinfällig.
 Die Umsiedlung von 1 Million Menschen ist natürlich ein Problem.
Das brauchen wir nicht zu verniedlichen. Aber in Zukunft sind über
30 Millionen Menschen vor Überschwemmungen geschützt. Auch das ist
ein Argument, das man nicht einfach wegwischen kann. Das Argument,
daß die Überschwemmungen nur von den Abholzungen verursacht
wurden, geht ebenso fehl; denn Überschwemmungen gab es bereits vor
100 Jahren.
(Lachen bei der SPD)
Einen Monsunregen halten Sie nicht durch Wälder auf. Das ist eine
nachgewiesene Sache.
 Der Genehmigung der beantragten Hermes-Bürgschaften ist eine
hinreichende Prüfung vorausgegangen. Deswegen können und wollen
wir dem Ablehnungsantrag nicht zustimmen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ihre Redezeit ist vorbei, aber
der Kollege Schmitt wollte noch etwas fragen.
Jürgen Türk (F.D.P.): Ja, wenn das noch geht, bitte.
Wolfgang Schmitt (Langenfeld) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr
Kollege Türk, mir ist sehr wohl bekannt, daß es sowohl Argumente
für den Drei-Schluchten-Staudamm als auch dagegen gibt. Allerdings
werden Sie mir sicherlich darin zustimmen, daß dieses Projekt auf
Grund seiner Dimensionierung alles andere als ein alltägliches
Staudammbauvorhaben ist.
 Sind nicht auch Sie der Meinung, daß es bei einem so
hochsensiblen Projekt, das nicht nur in der Bundesrepublik
Deutschland, sondern auch im Ausland sehr kontrovers diskutiert
worden ist -- nicht nur in Kreisen der Umweltorganisationen --,
besser gewesen wäre, Ihre Argumente dafür und die Argumente, die
dagegen sprechen, in einem offenen Verfahren im Deutschen
Bundestag zu erörtern und dann zu einer Entscheidung zu kommen?
 Ich würde in jedem Falle die Entscheidung der Mehrheit des Hauses
respektieren, aber ich denke, es wäre besser gewesen, dies hier zu
erörtern und erst danach eine Entscheidung durch die
Bundesregierung zu treffen. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß
mit einem solchen Verfahren der Demokratie und dem Ansehen der
Regierung auch bei den Kritikern ein größerer Dienst erwiesen
worden wäre?
Jürgen Türk (F.D.P.): Ganz kurz: Das schließe ich nicht aus.
(Zuruf von der CDU/CSU: Er hat recht!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention
erhält nun der Kollege Hedrich das Wort.
Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem das BMZ in dieser Frage mehrmals angesprochen wurde,
möchte ich dazu doch ein paar kurze Bemerkungen machen.
 Zunächst einmal kann in keiner Weise die Rede davon sein, daß wir
hier eine Entscheidung getroffen haben, die in irgendeinem
Zusammenhang mit den Anträgen steht, die heute im Bundestag
beraten werden.
(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Was?)
Vielmehr mache ich darauf aufmerksam, daß der zuständige
interministerielle Ausschuß der Bundesregierung, bestehend aus
Vertretern des Finanzministeriums, des Wirtschaftsministeriums,
des Außenministeriums und des BMZ, bereits im August über diese
Frage beraten hat. Nach sorgfältiger Überlegung haben wir uns
entschieden, den Anfragen deutscher Firmen nach einer Möglichkeit
für Hermes-Bürgschaften zuzustimmen. Es kann also nicht die Rede
davon sein, daß wir in den letzten Tagen oder möglicherweise in
dieser Woche -- das geistert irgendwo als Gerücht durch den
Bundestag -- auf Grund von Anträgen, die heute vorliegen, eine
Entscheidung getroffen haben. Ich möchte noch darauf hinweisen,
daß es in dieser Woche zum Beispiel keine Sitzung des
interministeriellen Ausschusses zu dieser Frage gegeben hat. Das
war die erste Bemerkung, Frau Präsidentin.
 Zweite Bemerkung. Es gibt keinen Zweifel daran -- ich möchte das
hier noch einmal ausdrücklich für das Ministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Ausdruck
bringen --, daß wir uns auch im interministeriellen Ausschuß sehr
schwer damit getan haben, unsere Zustimmung zu geben. Aber ich
möchte darauf hinweisen, daß dieses Projekt durch Entscheidungen
Dritter, also auch durch Entscheidungen der Bundesregierung, in
keiner Weise aufzuhalten gewesen wäre. Vielmehr geht es jetzt im
wahrsten Sinne des Wortes um eine gewisse Schadensbegrenzung;
möglicherweise wird der Kollege Kolb darauf noch eingehen.
(Zuruf von der SPD: Wir haben doch ein Vetorecht!)
 Es geht jetzt darum, daß wir uns für die Installierung von
Turbinen und dergleichen einsetzen, die dafür sorgen, daß durch
den Einsatz von Hochtechnologie ein optimaler Effekt bei der
Nutzung der Wasserenergie eintritt.
 Ich möchte gar nicht verhehlen -- wenn Sie gestatten, Frau
Präsidentin, sage ich jetzt etwas in meiner Eigenschaft als
Abgeordneter; das ist ja auch zulässig --, daß ich durchaus die
Bedenken vieler Kollegen verstehe. Auf Grund der Gesamtprozesse
der Entscheidung sind wir aber nicht in der Lage, in diesem
Zusammenhang irgend etwas aufzuhalten.
 Ich bin ziemlich sicher -- das wird sich in kürzester Zeit
herausstellen --, daß wir uns, wenn der Ausschreibungsprozeß erst
einmal läuft, plötzlich wundern werden, daß nicht nur deutsche
Firmen, sondern auch Firmen von Ländern dabei sind, die heute noch
den Eindruck erwecken, als wären sie gegen dieses Projekt.
(Zuruf von der F.D.P.: Die Amerikaner machen das vor den Wahlen
auf keinen Fall!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Kollegin
Eva-Maria Bulling-Schröter.
Eva Bulling-Schröter (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Finanzierung des Drei-Schluchten-Staudammes in
China ist die Achillesferse für die Realisierung dieses Projektes.
Allein für die Einfuhr von Bau- und Ausrüstungsgütern sind 3
Milliarden US-Dollar notwendig. Die gigantischen Gesamtbaukosten -
- das wurde schon angesprochen; es sind mindestens 75 Milliarden
US-Dollar -- sind ohne ausländische Kredite und Bürgschaften nicht
aufzubringen.
 Die internationale Gemeinschaft hätte also noch eine reale
Chance, dieses ökologisch, sozial und menschenrechtlich nicht zu
verantwortende Wahnsinnsvorhaben zu verhindern, wenn sie es
wollte. Amerikanischen und japanischen Behörden ist dieses Projekt
finanziell und politisch anscheinend zu heiß. Sie stellen bislang
keine Ausfuhrbürgschaften für das Staudammprojekt zur Verfügung.
Sie wissen auch, warum: Einige der schönsten Schluchten Chinas
werden über 600 Kilometer überflutet. 1,3 Millionen Menschen
sollen dafür -- notfalls mit militärischen Mitteln --
zwangsumgesiedelt werden. Unwiderbringliche Kulturgüter werden
zerstört oder beeinträchtigt. Dies alles für einen ökologischen
Dinosaurier.
 Das "Wall Street Journal" schreibt, daß das Projekt politisch so
riskant sei, "daß nur wenige Banker mit ihm in Verbindung gebracht
werden wollen". Das finde ich schon interessant; denn
normalerweise sind die Banker nicht so zimperlich. Sie machen
eigentlich fast alles mit.
 Die Bundesregierung, die ständig von ihrer gestiegenen
internationalen Verantwortung tönt, kennt solche Berührungsängste
nicht. Das Wohl deutscher Bau- und Ausrüstungskonzerne scheint ihr
wichtiger zu sein als Menschen- und Umweltrechte.
 Die Entscheidung des interministeriellen Ausschusses im August,
Ausfallrisiken für Geschäfte deutscher Firmen im Zusammenhang mit
dem Drei-Schluchten-Staudamm zu übernehmen, belegt aber auch etwas
anderes:
 Parlamentarier und Parlamentarierinnen und die Öffentlichkeit
werden aus solchen Entscheidungsprozessen bewußt herausgehalten
und ignoriert. Die Bundesbürokratie kam nach der Kleinen Anfrage
der SPD zu diesem Thema gerade rechtzeitig aus den Startlöchern,
um noch vor der sich abzeichnenden Debatte im Bundestag grünes
Licht für die Hermes-Deckungen zu geben. In dem Fall haben Sie
recht, Herr Hedrich. Sie haben es nämlich schon im August
beschlossen. Es gab grünes Licht, obwohl es für die chinesische
Energieerzeugung durchaus machbare und weniger zerstörerische
Alternativen gibt. Darüber diskutieren wir im Bundestag.
 Allerdings kann sich der Vergabeausschuß der Bundesregierung bei
seinen Hermes-Entscheidungen kaum auf ökologische,
menschenrechtliche Bewertungen stützen. Sie sind bisher
schlichtweg nicht vorgesehen. Das Umweltministerium hat keinen
Einfluß auf die Vergaben, von Umweltorganisationen ganz zu
schweigen.
 Deshalb unterstützen wir eine verbindliche Vergabepraxis nach
ökologischen und entwicklungspolitischen Faktoren, wie im Antrag
der Grünen gefordert, natürlich nicht nur in China, sondern auch
in Rußland und sonstigen Ländern. Wir fordern die Bundesregierung
auf, ihre Bürgschaft zurückzuziehen.
 Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt für die
Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich
Kolb.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für
Wirtschaft: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir zunächst zwei Feststellungen.
 Erstens. Der Bundesregierung liegen Anträge auf Übernahme einer
Ausfuhrgewährleistung, einer sogenannten Hermes-Bürgschaft, im
Zusammenhang mit dem Drei-Schluchten-Projekt am Yangtse in China
vor. Wegen ihrer Verpflichtung zum Schutz von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen antragstellender deutscher Unternehmen kann
die Bundesregierung keine Einzelheiten, weder Namen noch Zahlen,
Herr Kollege Hauchler, zu den Deckungsanträgen mitteilen.
 Zweitens. Die Bundesregierung hat für die Geschäfte
grundsätzliche Deckungszusagen übernommen.
 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, in der bisherigen
Debatte sind doch viele Klischees gepflegt worden. Es ist schon
erstaunlich -- lassen Sie mich das zunächst sagen, Herr Kollege
Hauchler --, was Sie alles in diese Entscheidung hineingeheimnist
haben. Ich kann das im einzelnen gar nicht alles wiederholen.
 Dabei ist doch ganz klar: Die Übernahme von
Ausfuhrgewährleistungen ist im Haushaltsgesetz geregelt, einem
Gesetz, das dieses Parlament beschlossen hat. Dieses Gesetz
verweist hinsichtlich der Einzelheiten auf die Richtlinien über
die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen. Damit ist ein klarer
Rahmen für Entscheidungen des interministeriellen Ausschusses
gegeben, innerhalb dessen sich dieser auch bewegt hat.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Hauchler?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für
Wirtschaft: Eine gestatte ich. Bitte sehr.
Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Es ist sehr lieb, daß Sie eine
gestatten. -- Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung,
daß man nicht prinzipiell das Verfahren der Geheimhaltung ändern
müßte? Denn das Geschäftsgeheimnis von großen Konzernen kann nicht
vor dem Recht des Steuerzahlers und der Öffentlichkeit stehen, bei
solchen Vorgängen, die den Steuerzahler in so großer Höhe
belasten? Sie können nicht sagen, das Geschäftsgeheimnis ist
wichtiger als das Recht des Steuerzahlers, wenn er einstehen muß.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß das grundsätzlich geändert
werden muß?
 Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, daß, auch wenn wir den
heutigen Status akzeptieren oder nicht ändern, im Prinzip das
Projekt hier ohne Nennung der Firmen in seiner ganzen Problematik
besprochen werden kann und daß Sie das umgangen haben?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für
Wirtschaft: Zum ersten bin ich nicht der Meinung, daß wir das
Prinzip der Geheimhaltung ändern müssen. Ich glaube, es hat sich
bewährt. Es ist mir auch kein Fall bekannt, der Anlaß gäbe, hier
über eine Änderung nachzudenken.
 Zweitens. Wir können dieses Projekt natürlich ohne Nennung von
Firmennamen oder von Zahlen besprechen. Ich tue das. Ich stelle
nur fest, daß einige Abgeordnete -- ich glaube, Sie waren einer
von denen, Herr Kollege Hauchler -- Namen und Zahlen genannt
haben. Dann sollten wir uns bitte alle und insgesamt daran halten.
 Ich will fortfahren. Ich habe auf das Haushaltsgesetz und die
Ausführungsrichtlinien hingewiesen. Diese Richtlinien stellen als
Überprüfungskriterien auf die Förderungswürdigkeit und die
risikomäßige Vertretbarkeit eines Geschäftes ab. Die Umwelt- und
auch die Sozialverträglichkeit eines Projektes sind dabei zwei
wichtige, im Rahmen der Förderungswürdigkeit zu prüfende Aspekte.
Bei der Entscheidung über die vorliegenden Anträge zu dem Drei-
Schluchten-Projekt wurde daher neben der wirtschaftlichen auch die
umwelt- und sozialpolitische Bedeutung überprüft.
 Da Hermes-Deckungen in erster Linie die Förderung deutscher
Exporte zum Ziel haben, war zunächst zu berücksichtigen, daß sich
durch das Projekt große Auftragschancen für deutsche Unternehmen
mit positiven Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung
ergeben. Nutznießer sind unter anderem auch mittelständische
Unternehmen.
 Natürlich führt eine Beteiligung deutscher Unternehmen auch zu
einer Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden
Ländern, hier vor allem zu einem wertvollen Technologietransfer
zum Beispiel im Turbinen- und Generatorbau.
 Hauptzweck des Projekts ist der Hochwasserschutz. Daneben ist das
Projekt aber auch von energiewirtschaftlicher Bedeutung. Geplant
ist der Bau von Wasserkraftwerken mit einer installierten
Kapazität von 18 200 Megawatt. Das entspricht acht Prozent der
gegenwärtigen chinesischen Stromerzeugungskapazität und kann damit
15 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von je 1 200 Megawatt, also
schon größere Einheiten, ersetzen. Das Projekt stellt damit einen
wichtigen und auch umweltfreundlichen Beitrag zum Abbau des
Energieengpasses in China dar.
 Problematisch erscheint manchen Kritikern des Projekts
insbesondere die mit der Flußregulierung des Jangtse verbundene
Umsiedlung von rund einer Million Menschen. Wir haben den Eindruck
gewonnen, daß die notwendigen Maßnahmen in verantwortlicher und
auch in finanziell abgesicherter Weise getroffen werden. Zu
beachten ist auch, daß durch die Regulierung des Unterlaufs des
Jangtse, der in regelmäßigen Abständen von Hochwasserkatastrophen
heimgesucht wird, ein Hochwasserschutz für 20 Millionen Menschen
geschaffen wird. Auch dies ist in die Abwägung mit einzubeziehen.
Wir haben das getan.
 Wir haben auch die Auswirkungen des Drei-Schluchten-Projektes auf
die Umwelt geprüft. Diese Auswirkungen sind auch von den Chinesen
selbst sehr sorgfältig untersucht worden. Wir meinen, daß die
positiven Effekte überwiegen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
 Generell gilt, daß China zu den Ländern gehört, die über die
größte Erfahrung im Dammbau verfügen. Hierzu gehören auch die
Wasserkraft sowie die Beherrschung von Umwelt- und
Umsiedlungsproblemen.
 Zu den Hinweisen auf die Haltung der US-Regierung und der
Weltbank in vorliegendem Antrag ist anzumerken: Die US-Regierung
hat nach den Erkenntnissen der Bundesregierung nur entschieden,
auf der Grundlage der ihr bisher vorliegenden Informationen keine
Unterstützung für amerikanische Exporte zu gewähren. Eine
abschließende Entscheidung der US-Eximbank liegt noch nicht vor.
 Es wurde hier gesagt, die Weltbank habe abgewunken. Nach unseren
Informationen ist die Weltbank von der chinesischen Regierung
überhaupt nicht um Unterstützung gebeten worden. Insofern stellt
sich die Frage einer Weltbank-Beteiligung nicht.
 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen, den Antrag
abzulehnen.
 Vielen Dank.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe damit die
Aussprache.
 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache
13/5399 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? -- Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
 Vor Aufruf der Tagesordnungspunkte 10, 11 und 12 will ich Ihre
Zustimmung dazu einholen, daß die Kollegen ihre Reden zu diesen
Tagesordnungspunkten zu Protokoll geben wollen ).  Sind Sie damit
einverstanden?
(Beifall)
-- Vielen Dank. Wir müssen trotzdem noch abstimmen und haben einen
letzten Punkt, zu dem auch noch debattiert wird.