Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/128, 9.10.1996 Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags des Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Hermes-Bürgschaften für den Drei-Schluchten-Staudamm in China -- Drucksache 13/5399 -- Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zehn Minuten erhalten soll. -- Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Zunächst bitte ich um Ihre Zustimmung dazu, die Rede des Kollegen Erich Fritz zu Protokoll geben zu dürfen. -- Das ist der Fall. Dann geschieht das so. ) Als erster hat der Kollege Wolfgang Schmitt das Wort. Wolfgang Schmitt (Langenfeld) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat kürzlich beschlossen, die beantragten Bürgschaften für das Drei- Schluchten-Staudamm-Projekt in der Volksrepublik China grundsätzlich zu befürworten. Ich halte das für einen weiteren zweifelhaften Schritt zur Normalisierung der deutsch-chinesischen Beziehungen -- (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie müssen zunächst eine Ortsbesichtigung veranstalten!) "business as usual", die alte Devise. Auf diese Weise kommt der Bundesaußenminister zu einem, denke ich, ihm willkommenen Gastgeschenk für seine nächste Chinareise. Das ist auch schon etwas. Für das Parlament ist diese Entscheidung, wo doch bekannt war, daß sich der Bundestag mit dem Thema beschäftigen wird, ein Affront. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was soll eigentlich die parlamentarische Debatte, wenn die Entscheidung von seiten der Bundesregierung längst gefallen ist? Nur durch Hinweise der amerikanischen Umweltbewegung und aus dem Umfeld der Export-Import-Bank, dem amerikanischen Pendant zu Hermes, habe ich überhaupt erfahren können, daß eine Bürgschaftszusage erteilt worden ist. Wer hier in Bonn nachfragt, bewegt sich zwischen Sprechverboten der Beteiligten in den Ministerien und kryptischen Hinweisen, die Entscheidung sei schon längst gefallen. Einen solchen Umgang mit dem Parlament würden sich unsere amerikanischen Kollegen nicht gefallen lassen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Die Bundesregierung sollte einmal erklären: Warum gibt es bei solchen Projekten, deren Dimension durchaus aus dem Rahmen fällt, kein Verfahren, wie es aus den Vereinigten Staaten bekannt ist? Dort können in öffentlichen Anhörungen, wie im vorliegenden Fall passiert, Firmen ihre wirtschaftlichen Interessen genauso darlegen wie Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsgruppen die ökologischen und sozialen Bedenken -- hier mit dem Ergebnis, daß die amerikanische Exim-Bank keine staatlichen Garantien für Exporte in Sachen Drei-Schluchten-Staudamm gewährt. Gleiches gilt im übrigen für Japan. Hierzulande hingegen haben wir den interministeriellen Ausschuß, in dem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wohl seine Bedenken vortragen kann, aber offensichtlich nach dem Motto "Nur keinen Ärger" auf ein Veto verzichtet hat. Das hier zur Debatte stehende Beispiel zeigt, wie nötig ein transparentes und formalisiertes Verfahren zur Gewichtung ökologischer, sozialer und entwicklungspolitischer Faktoren ist. Damit wäre endlich für Außenstehende nachvollziehbar, welche Argumente der Regierungsentscheidung zugrunde liegen. Aber selbst die Bundesregierung, die in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Hauchler zu den Hermes-Bürgschaften die Einführung eines transparenten und formalisierten Verfahrens ablehnt, betont, daß die Übereinstimmung der Vorhaben mit den wesentlichen entwicklungspolitischen Zielen der Bundesregierung untersucht werde. Sie führt weiter aus -- ich zitiere --: Daneben erlangt das Kriterium der Umweltverträglichkeit zunehmende Bedeutung bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit eines Hermes-Geschäftes. Für Projekte, -- so die Bundesregierung weiter -- die aus schwerwiegenden ökologischen oder entwicklungspolitischen Gründen als nicht förderungsfähig erscheinen, werden Hermes- Bürgschaften nicht übernommen. An anderer Stelle heißt es in derselben Antwort: Projekte, die geeignet sind, der Verletzung von Menschenrechten Vorschub zu leisten, sind nicht förderungswürdig im Sinne der Richtlinien für die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen und werden deshalb nicht abgedeckt. Im Lichte dieser Antwort werden Sie zu begründen haben, warum Sie zu einer für die antragstellenden Firmen positiven Entscheidung gekommen sind. Glauben Sie ernsthaft, die beabsichtigte Umsiedlung von mehr als einer Million Menschen sei unter den derzeit herrschenden politischen Bedingungen in der Volksrepublik China menschenrechtsverträglich zu bewerkstelligen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Allen Fachleuten ist doch klar, daß die Planung einer Umsiedlung dieser Größenordnung in keinem anderen Land der Erde die Schreibstube der Planer je verlassen hätte. Wenn überhaupt, dann wird die chinesische Regierung dieses Projekt nur mit schärfster Repression umsetzen können. Bestimmte Polizeieinheiten werden internen Quellen zufolge schon jetzt auf die zu erwartenden Auseinandersetzungen vorbereitet. (Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Entwicklungshilfe!) Wer die innerchinesische Kontroverse in der Vergangenheit auch nur annähernd verfolgt hat, weiß, wie umstritten dieses Projekt in China selbst ist. Die Umsiedlung wirft zahlreiche ungeklärte Fragen auf: Wird es überhaupt Arbeitsplätze für die umgesiedelten Menschen geben? Das Jangtsetal, in dem der Staudamm gebaut werden soll, ist sehr fruchtbar. Schon jetzt ist klar, daß die Bauern in Gebiete mit schlechteren Böden umgesiedelt werden müssen. Um die gleiche landwirtschaftliche Produktion zu erreichen, wird schätzungsweise fünfmal soviel Land gebraucht. Nun führen gerade in jüngster Zeit die Befürworter zwei Argumente für den Bau des Staudamms an. Erstens: Nach den schweren Überschwemmungen des Jangtse sei ein wirksamerer Hochwasserschutz vonnöten. Zweitens: Der prognostizierte zukünftige Energiebedarf der Volksrepublik China erfordere die verstärkte Nutzung der Wasserkraft. Zum ersten Argument. Natürlich muß der Hochwasserschutz verbessert werden, wie es die Überschwemmungen in diesem Jahr gezeigt haben. Die Frage ist nur, wie das geschehen soll. Ob das durch diesen Staudamm erfolgen kann, ist sehr zweifelhaft. Durch die Trockenlegung von Überflutungszonen und die unkontrollierte Abholzung, durch die die Bodenerosion vorangetrieben worden ist, sind doch erst die Hochwasserrisiken verschärft worden, die in dieser Region eh schon bestehen. Dieses Problem ist uns en miniature sehr wohl aus der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Ich erinnere nur an die Einsargung und die unkontrollierte Regulierung von Flüssen, bei der die einzelnen Dynamiken von Flußökosystemen nicht entsprechend berücksichtigt worden sind. Zum zweiten Argument Energiebedarf. Die Ineffizienz der chinesischen Industrie, auf die zwei Drittel des Energieverbrauchs entfällt, ist legendär. Hier könnte die Bundesrepublik Deutschland eine positive Rolle beim Umbau der alten Industrien spielen, beispielsweise in der Stahlindustrie, in der Düngemittelproduktion oder bei der Einführung regenerativer Energien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich kann die ökologischen Probleme des Dammbaus hier nur erwähnen: der verstärkte Dünger- und Pestizideinsatz infolge der Umsiedlung auf schlechtere Böden oder das befürchtete Aussterben bestimmter Tierarten wie zum Beispiel des chinesischen Flußdelphins. Ich will aber kurz die ökonomischen Aspekte des Staudammbaus ansprechen -- eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Die Baukostenschätzung beläuft sich schon jetzt auf fast 75 Milliarden US-Dollar und entspricht damit ungefähr dem Gesamtdevisenbestand der Volksrepublik China. Die Versuche, privates Kapital am US- amerikanischen Markt zu akquirieren, sind zumindest bis jetzt gescheitert. Die Weltbank hat ebenfalls abgewunken. -- Die Finanzierung dieses Projekts steht offensichtlich auf wackeligen Füßen. Hier finanziell einzuspringen ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Die Kosten wird der Steuerzahler zu tragen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der PDS sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Ich bin mir sicher, daß die Vorgehensweise der Bundesregierung allen Kollegen, die eine ernsthafte ökologische und entwicklungspolitische Debatte, auch eine über die ökonomische Sinnhaftigkeit dieses Projektes wollen, gleichermaßen absurd vorkommen muß, unabhängig im übrigen davon, wie im einzelnen die Positionen der Kolleginnen und Kollegen aussehen werden. Für alle, die sich in China selbst und international gegen das Projekt engagiert haben, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, daß ökologische und soziale Bedenken abermals dem kurzfristigen Geschäfts- und vermeintlichen Staatsinteresse geopfert worden sind. (Beifall bei der SPD -- Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es reicht langsam!) Exportförderung um jeden Preis, egal, wie viele Menschen darunter zu leiden haben -- ich kann der Bundesregierung nur sagen: In diesem Fall werden es unglaublich viele sein. Dieser Beschluß steht in der Kontinuität Ihrer verfehlten Chinapolitik. Sie ist im übrigen ja gestern noch von unserem Kollegen Heiner Geißler -- wenn man die Agenturmeldungen liest -- richtigerweise, finde ich, kritisiert worden. Sie betreiben nicht nur stille Diplomatie, sondern auch stille Wirtschaftsdiplomatie. Diese Diplomatie ist so still, daß selbst das Parlament im unklaren gelassen werden soll. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Hauchler. (Parl. Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich: Halt dich zurück, Ingomar!) Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! "Halt dich zurück", wird mir von der Regierungsbank gesagt. Ich halte mich nicht zurück. Wir reden heute über den größten Staudamm, der je in der Welt gebaut worden ist. Er soll 75 Milliarden Dollar kosten, das sind etwa 100 Milliarden DM. Herr Schmitt hat ja schon etwas über die Risiken ausgeführt. Damit sollen 18 000 Megawatt Strom erzeugt werden können. Aber die Probleme, die sich bei diesem Projekt ergeben, bedeuten ein Megarisiko. (Beifall bei der SPD) Das muß man wissen. Trotzdem hat die Bundesregierung vor dieser Debatte offenbar entschieden -- am Parlament vorbei --, (Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Skandal!) dieses Projekt auf die Schultern des Steuerzahlers zu laden. Denn ich bin sicher, die Chinesen würden nicht verlangen, daß Staatsbürgschaften gegeben werden -- wenn sie denn Aufträge vergeben --, wenn sie sicher wären, daß sie die Zahlungen auf andere Weise leisten könnten. Das ist auch ein großes Risiko für den Steuerzahler. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist von den Risiken gesprochen worden, nämlich von riesigen Umsiedlungsproblemen, die auch in ökonomischer Hinsicht überhaupt nicht kalkuliert sind, von möglichen Dammbrüchen mit verheerenden Wirkungen, von immensen Kunstschätzen, die in den Fluten versinken und von ökologischen Problemen. Dabei ist das Entscheidende nicht genannt worden. Entscheidend ist -- darauf möchte ich den Akzent legen --: Es handelt sich hier um einen planwirtschaftlichen Dinosaurier alten Stils, den Sie unterstützen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS -- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Unglaublich!) Da soll der Traum einer kommunistischen Staatsregierung erfüllt werden, mit Hilfe von Staatsbürgschaften des deutschen Steuerzahlers. Das ist ein Skandal. Es ist ein interessantes Bündnis von Kapital und alter Planwirtschaft, das Sie hier realisieren helfen. Das wirtschaftliche und finanzielle Risiko ist immens. 75 Milliarden Dollar kostet dieses Projekt. Dafür müssen die Chinesen jährlich einen Schuldendienst von mindestens 8 Milliarden Dollar leisten. Diese Gelder gehen für eine breite Entwicklung in China verloren. Der Strom, der hier erzeugt werden soll, kommt nicht den Dörfern, den Bauern und den Menschen zugute, sondern immer wieder der gleichen Großindustrie, die sich mit unseren Konzernen verbündet. Die Dimensionen sind so groß, daß die Finanzierung völlig ungewiß ist; die Rückzahlung ist ungewiß. Interessant ist ja -- da müssen Sie auf der rechten Seite des Hauses einmal kritisch zuhören --: Alle privaten Banken halten dieses Projekt wirtschaftlich für völlig ungewiß; die Rentabilität ist unbekannt; die Möglichkeit der Rückzahlung ist unbekannt; die politischen Risiken sind unbekannt. (Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung hat den besseren Riecher!) Der Beweis, daß die Finanzierung auf tönernen Füßen steht, liegt ja darin -- das habe ich gesagt --, daß China keine Staatsbürgschaften verlangen und die Staaten mit einer solchen Forderung erpressen würde, wenn man sicher wäre, daß es auch auf andere Weise pünktlich zurückzuzahlen wäre. Es gibt Alternativen zu diesem Projekt. Es gibt 2 000 Standorte im Bereich des gesamten Einzugsgebietes Jangtse, die für kleinere dezentrale Energieversorgungsunternehmen in Frage kämen. Wasserkraftwerke sind da besser als Kohlekraftwerke; das ist richtig. Es gibt auch die Alternative, Energie einzusparen. Durch die Kohlekraftwerke in China wird eine unglaubliche Umweltverschmutzung verursacht. Dieses Problem läßt sich aber nicht durch ein Großkraftwerk mit neuen Risiken lösen, sondern nur dadurch, daß man dezentrale Formen der Wasserenergiegewinnung ins Auge faßt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung hat sich trotz der Risiken für die Staatsbürgschaft entschieden. Es profitieren ganz wenige und wie immer die größten Konzerne in Deutschland davon: Siemens natürlich vorneweg, gefolgt von Voith Hydro und Liebherr. Ich wünsche diesen Unternehmen gute Geschäfte. Das kann auch in unserem Interesse sein. Aber wir wissen auch, daß gerade die Subventionen für solche Großkonzerne, für solche Großanlagen zu den geringsten Beschäftigungswirkungen führen. Es wäre besser, man würde kleinen und mittleren Betrieben im internationalen Geschäft über Hermes- Bürgschaften mehr Chancen geben. Man würde damit wahrscheinlich ökologisch, entwicklungspolitisch, aber auch beschäftigungswirksam größere Effekte erzielen. (Beifall bei der SPD) Zu den Motiven der Bundesregierung. Ist es Wiedergutmachung für die Resolution des Bundestages zu Tibet? Soll wieder die Hand gereicht werden von seiten der Regierung, weil sich der Bundestag in der Tibet-Frage klar geäußert hat? (Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Oder geht es wirklich nur darum, mit dem Geld und auf dem Rücken des Steuerzahlers Subventionen für Großkonzerne in die Wege zu leiten? (Peter Dreßen [SPD]: Darum geht es!) Darum geht es wahrscheinlich. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt offenbar doch einen nicht auszutrocknenden Sumpf und einen Filz zwischen dieser Koalition und der Großindustrie. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein besonderer Skandal ist, daß die Bundesregierung, wohl wissend, daß dieses Thema den Bundestag interessiert und daß wir heute debattieren, diese Entscheidung in letzter Minute praktisch doch noch auf den Weg gebracht hat. Dies ist ein Skandal. (Staatsminister Helmut Schäfer: Nicht zu viel "Skandal" benutzen!) -- Das ist ein Skandal, Herr Staatsminister, ein großer Skandal, an dem wir auch leiden werden. -- Die Bundesregierung schließt damit die Öffentlichkeit von einer Debatte über solche Fragen aus. Schauen Sie in die USA: Zum selben Projekt fanden im Kongreß Anhörungen zu den ökologischen und zu den finanziellen Fragen statt. Die Dinge wurden offengelegt, in der Presse besprochen. Dann wurde entschieden. Die Bundesregierung wählt einen eigenen Weg. Sie schließt die Öffentlichkeit aus. Sie schließt die Steuerzahler davon aus, mit darüber zu diskutieren, wie auf ihre Kosten Politik gemacht wird. Das ist ein Affront sondergleichen. Ich denke manchmal: Was haben die Fraktionen auf der rechten Seite des Hauses eigentlich noch zu tun? Sie können gleich nach Hause gehen, wenn sie nicht endlich auch mal die Kraft haben, im Parlament gegenzuhalten und ihre Rechte einzuklagen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Die Opposition hat wiederholt gehandelt: mit mündlichen Anfragen, mit Kleinen Anfragen. Es liegt ein Antrag vor. (Zuruf der Abg. Birgit Homburger [F.D.P.]) -- Natürlich haben wir gehandelt. Lassen Sie mich schließen. Folgende Forderungen richten wir an die Bundesregierung und an die entsprechende Seite des Hauses. Erstens. Revidieren Sie diese Entscheidung, (Beifall bei der SPD und der PDS -- Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Welche Entscheidung?) Staatsbürgschaften für dieses Projekt zu geben! Das beläuft sich auf eine Summe -- sie muß auch mal genannt werden -- von insgesamt etwa einer halben Milliarde DM, also 500 Millionen DM. Revidieren Sie diese Entscheidung! Lassen Sie eine öffentliche Debatte über solche Projekte und über die Haltung der Bundesregierung zu solchen Projekten zu! Sie haben noch eine Frist bis Ende Dezember. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zweitens. Prüfen Sie doch wirklich seriös die Alternativen zu einem solchen Mammutprojekt! Es gibt diese Alternativen. Es gibt Machbarkeitsstudien. Der Trend geht weg von diesen Großprojekten. Das wissen wir seit Jahrzehnten. Viele sind gescheitert. Wir wissen aus der kommunistischen planwirtschaftlichen Ära, wir wissen aus vielen Entwicklungsländern, daß solche Projekte weder verwaltet werden können noch ökonomisch sind, noch die Chance bieten, daß die Menschen an Entscheidungen über diese Dinge mitwirken können. Prüfen Sie also das noch einmal seriös, auch bezüglich der Alternativen! Da ich gerade den Staatssekretär des BMZ hier sitzen sehe, sage ich: Nehmen Sie als Teil des Entwicklungshilfeministeriums doch einmal Ihre Verantwortung wahr! (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Drücken Sie sich doch nicht ständig! Sie sitzen doch in diesem interministeriellen Ausschuß. (Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Das ist wahr, das stimmt!) Ich weiß, daß Bedenken geäußert worden sind. Wo zeigen Sie in diesen Fragen einmal Rückgrat im Kabinett, um daran mitzuwirken, daß von Ihrer Seite diese Fragen ernster wahrgenommen werden? Das geht nur, wenn man auch einmal Widerstand entfaltet. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS] -- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das ist der Gummi-Hedrich! -- Gegenruf des Abg. Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Halt dich zurück!) Also, prüfen Sie das! Sie sind einfach zu schlapp. Drittens und letztens. Ändern Sie endlich die grundsätzlichen Vergabebedingungen für Hermes-Bürgschaften. Es muß wie in anderen Ländern Öffentlichkeit hergestellt werden. Es ist das Geld des Steuerzahlers. Der Steuerzahler hat ein Recht darauf, gewisse Dinge zu erfahren. Schließen Sie nicht die Öffentlichkeit aus! (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Die Umwelt- und Entwicklungsverträglichkeit bei diesen Entscheidungen muß eine Rolle spielen, stärker als bisher. Das ist in den USA der Fall. Die Exim-Bank in den USA hat sich wegen der Umweltprobleme gegen eine Förderung entschieden. Wir unterlaufen das. Unterstützen Sie mit Hermes-Bürgschaften nicht ständig die heimatlosen Großkonzerne, die in Deutschland das Geld verdienen, die Gewinne ins Ausland verschieben, dort investieren und dann auch noch Subventionen vom hiesigen Steuerzahler wollen! Das müssen Sie ändern. (Beifall bei der SPD und der PDS) Die SPD stimmt dem Antrag der Grünen zu. Ich hoffe, daß auch Sie noch einmal darüber nachdenken. Danke schön. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt der Kollege Türk. (Wolfgang Schmitt [Langenfeld] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ja mal gespannt! Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bekanntlich ist China im Bundestag ein sensibles Thema; das ist ja vielleicht auch nicht falsch. Allerdings könnte man meinen, daß der Bau eines Staudamms nun wirklich zu den inneren Angelegenheiten eines Landes gehört. Aber die letzten Debatten haben uns gezeigt: Bei China ist alles anders. Wir wollen dem Rechnung tragen. Die Arbeiten für dieses anspruchsvolle Wasserbauvorhaben -- jetzt spricht der Bauingenieur -- sind schon angelaufen. Der Drei- Schluchten-Damm am Jangtse soll drei Zwecke erfüllen: Hochwasserschutz, Stromerzeugung und Erleichterung der Schiffahrt. Das alles sind, Wolfgang Schmitt, eigentlich auch Ziele der Grünen. Wenn man das ordentlich macht, dann entspricht das eigentlich euren Forderungen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Türk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hauchler? Jürgen Türk (F.D.P.): Bitte. Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Herr Kollege, Sie sagen, bei China sei alles anders. Sie haben im Grunde recht, aber umgekehrt zu dem, wie Sie es meinen: Dieses Parlament hat, wie andere Parlamente, verhindert, daß in Indien und in Nepal ähnliche Projekte verwirklicht werden. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Aber in China ist natürlich alles anders. Stimmen Sie mir zu? Für China gilt das alles nicht: die ökologischen Bedenken, die menschenrechtlichen Bedenken, die entwicklungspolitischen Bedenken und die ökonomischen Bedenken. Stimmen Sie mir zu, daß das auch so verstanden werden kann? Jürgen Türk (F.D.P.): Darauf werde ich noch eingehen. Daß so etwas in Indien verhindert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Dazu fällt dir wohl nichts ein? Das merkt man!) Man muß auf die Befürchtungen eingehen, die im Antrag geäußert werden: Befürchtet wird, daß durch Überflutung von 1 000 Quadratkilometern -- das ist etwas übertrieben; in dieser Zahl ist die heutige Flußfläche eingeschlossen -- ökologische Schäden entstehen und daß dieser fruchtbare Flußschlamm für Gebiete unterhalb des Staudamms verlorengeht. Ferner werden ökonomische Schäden durch hohe Investitionskosten befürchtet -- Befürchtungen darf man ja äußern; das ist völlig in Ordnung -- für den Fall, daß das Projekt in den Sand gesetzt wird. Man befürchtet, daß dieses Geld China in anderen Bereichen fehlt. Ich glaube nicht, daß das unbedingt unser Problem ist. Schließlich sehen die Antragsteller soziale Schäden durch Umsiedlung von mehr als einer Million Menschen. Zugegebenermaßen ist das eine riesige Anzahl. Weil dieses Projekt von deutschen Unternehmen mit realisiert wird und dafür Hermes-Bürgschaften beantragt wurden, hat ein interministerieller Ausschuß die Anträge vor Genehmigung gewissenhaft zu prüfen. Ich glaube, das ist so in Ordnung. Wir müssen darüber sprechen, daß in Zukunft die Öffentlichkeit mitzureden hat. Natürlich ist die Prüfung aus der Ferne schwer bzw. unmöglich. Ich stelle mir manchmal die Frage, Wolfgang Schmitt, wie man zu solch ganz konkretem Wissen kommen kann. Es reicht mir nicht, das einfach aus dem Gefühl heraus zu sagen. Natürlich ist das eine wichtige Sache. Vorerst möchte ich noch einmal auf einen interessanten Artikel vom 2. Oktober im "Handelsblatt" hinweisen. Dort wird das eingehend untersucht, und man ist zu anderen Schlüssen gekommen. Um sich nicht nur auf diesen Artikel zu beziehen, hat der interministerielle Ausschuß Experten auf die Baustelle zu den Planern nach China geschickt. Ich muß unterstellen: Man hat das vor Ort ordentlich geprüft. (Dr. Ingomar Hauchler [SPD]: Als ob man das auf der Baustelle erfahren könnte!) Ich frage: Wozu gibt es Experten, Umweltexperten, Wasserbauexperten und KfW-Experten, wenn sie nicht in der Lage sind, so etwas abzuschätzen? Jedenfalls hat der interministerielle Ausschuß nicht leichtfertig entschieden, sondern sich auf das Urteil der Experten verlassen; er konnte sich sicherlich auch darauf verlassen. Zu welchem Prüfergebnis kommen nun die Umwelt- und Wasserbauexperten der KfW, die zur Überprüfung der Hermes- Kreditierung Ende Juli/Anfang August die Baustelle und die chinesischen Projektvertreter besucht haben? Ich habe bereits gesagt: Die Überflutungsfläche ist natürlich riesig, aber nicht so übertrieben groß, wie das angegeben wurde. Der Jangtse bleibt weiterhin ein ganzjährig fließender Fluß, und es werden nur 8 Prozent des gesamten Jahresabflusses gespeichert. Das ist anders als beim Assuan. Ökonomisch wird das Projekt als sicher eingestuft. Die Wachstumsraten -- das ist allen bekannt -- sprechen mehr als für sich, egal, um welches Wirtschaftssystem es sich handelt. Es ist Fakt, daß dort Wachstumsraten zu verzeichnen sind, die nicht erwartet worden sind. Durch zahlreiche einfließende Nebenflüsse wird die Wasserfüllung des Jangtse nach dem Bau des Staudamms verdoppelt. Damit ist auch das Flußschlammproblem geklärt. Es kommt neuer Schlamm, der zu Düngezwecken benutzt werden kann, hinzu. Das Argument ist also hinfällig. Die Umsiedlung von 1 Million Menschen ist natürlich ein Problem. Das brauchen wir nicht zu verniedlichen. Aber in Zukunft sind über 30 Millionen Menschen vor Überschwemmungen geschützt. Auch das ist ein Argument, das man nicht einfach wegwischen kann. Das Argument, daß die Überschwemmungen nur von den Abholzungen verursacht wurden, geht ebenso fehl; denn Überschwemmungen gab es bereits vor 100 Jahren. (Lachen bei der SPD) Einen Monsunregen halten Sie nicht durch Wälder auf. Das ist eine nachgewiesene Sache. Der Genehmigung der beantragten Hermes-Bürgschaften ist eine hinreichende Prüfung vorausgegangen. Deswegen können und wollen wir dem Ablehnungsantrag nicht zustimmen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ihre Redezeit ist vorbei, aber der Kollege Schmitt wollte noch etwas fragen. Jürgen Türk (F.D.P.): Ja, wenn das noch geht, bitte. Wolfgang Schmitt (Langenfeld) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Türk, mir ist sehr wohl bekannt, daß es sowohl Argumente für den Drei-Schluchten-Staudamm als auch dagegen gibt. Allerdings werden Sie mir sicherlich darin zustimmen, daß dieses Projekt auf Grund seiner Dimensionierung alles andere als ein alltägliches Staudammbauvorhaben ist. Sind nicht auch Sie der Meinung, daß es bei einem so hochsensiblen Projekt, das nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Ausland sehr kontrovers diskutiert worden ist -- nicht nur in Kreisen der Umweltorganisationen --, besser gewesen wäre, Ihre Argumente dafür und die Argumente, die dagegen sprechen, in einem offenen Verfahren im Deutschen Bundestag zu erörtern und dann zu einer Entscheidung zu kommen? Ich würde in jedem Falle die Entscheidung der Mehrheit des Hauses respektieren, aber ich denke, es wäre besser gewesen, dies hier zu erörtern und erst danach eine Entscheidung durch die Bundesregierung zu treffen. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß mit einem solchen Verfahren der Demokratie und dem Ansehen der Regierung auch bei den Kritikern ein größerer Dienst erwiesen worden wäre? Jürgen Türk (F.D.P.): Ganz kurz: Das schließe ich nicht aus. (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat recht!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention erhält nun der Kollege Hedrich das Wort. Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das BMZ in dieser Frage mehrmals angesprochen wurde, möchte ich dazu doch ein paar kurze Bemerkungen machen. Zunächst einmal kann in keiner Weise die Rede davon sein, daß wir hier eine Entscheidung getroffen haben, die in irgendeinem Zusammenhang mit den Anträgen steht, die heute im Bundestag beraten werden. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Was?) Vielmehr mache ich darauf aufmerksam, daß der zuständige interministerielle Ausschuß der Bundesregierung, bestehend aus Vertretern des Finanzministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Außenministeriums und des BMZ, bereits im August über diese Frage beraten hat. Nach sorgfältiger Überlegung haben wir uns entschieden, den Anfragen deutscher Firmen nach einer Möglichkeit für Hermes-Bürgschaften zuzustimmen. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß wir in den letzten Tagen oder möglicherweise in dieser Woche -- das geistert irgendwo als Gerücht durch den Bundestag -- auf Grund von Anträgen, die heute vorliegen, eine Entscheidung getroffen haben. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß es in dieser Woche zum Beispiel keine Sitzung des interministeriellen Ausschusses zu dieser Frage gegeben hat. Das war die erste Bemerkung, Frau Präsidentin. Zweite Bemerkung. Es gibt keinen Zweifel daran -- ich möchte das hier noch einmal ausdrücklich für das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Ausdruck bringen --, daß wir uns auch im interministeriellen Ausschuß sehr schwer damit getan haben, unsere Zustimmung zu geben. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß dieses Projekt durch Entscheidungen Dritter, also auch durch Entscheidungen der Bundesregierung, in keiner Weise aufzuhalten gewesen wäre. Vielmehr geht es jetzt im wahrsten Sinne des Wortes um eine gewisse Schadensbegrenzung; möglicherweise wird der Kollege Kolb darauf noch eingehen. (Zuruf von der SPD: Wir haben doch ein Vetorecht!) Es geht jetzt darum, daß wir uns für die Installierung von Turbinen und dergleichen einsetzen, die dafür sorgen, daß durch den Einsatz von Hochtechnologie ein optimaler Effekt bei der Nutzung der Wasserenergie eintritt. Ich möchte gar nicht verhehlen -- wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, sage ich jetzt etwas in meiner Eigenschaft als Abgeordneter; das ist ja auch zulässig --, daß ich durchaus die Bedenken vieler Kollegen verstehe. Auf Grund der Gesamtprozesse der Entscheidung sind wir aber nicht in der Lage, in diesem Zusammenhang irgend etwas aufzuhalten. Ich bin ziemlich sicher -- das wird sich in kürzester Zeit herausstellen --, daß wir uns, wenn der Ausschreibungsprozeß erst einmal läuft, plötzlich wundern werden, daß nicht nur deutsche Firmen, sondern auch Firmen von Ländern dabei sind, die heute noch den Eindruck erwecken, als wären sie gegen dieses Projekt. (Zuruf von der F.D.P.: Die Amerikaner machen das vor den Wahlen auf keinen Fall!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Kollegin Eva-Maria Bulling-Schröter. Eva Bulling-Schröter (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzierung des Drei-Schluchten-Staudammes in China ist die Achillesferse für die Realisierung dieses Projektes. Allein für die Einfuhr von Bau- und Ausrüstungsgütern sind 3 Milliarden US-Dollar notwendig. Die gigantischen Gesamtbaukosten - - das wurde schon angesprochen; es sind mindestens 75 Milliarden US-Dollar -- sind ohne ausländische Kredite und Bürgschaften nicht aufzubringen. Die internationale Gemeinschaft hätte also noch eine reale Chance, dieses ökologisch, sozial und menschenrechtlich nicht zu verantwortende Wahnsinnsvorhaben zu verhindern, wenn sie es wollte. Amerikanischen und japanischen Behörden ist dieses Projekt finanziell und politisch anscheinend zu heiß. Sie stellen bislang keine Ausfuhrbürgschaften für das Staudammprojekt zur Verfügung. Sie wissen auch, warum: Einige der schönsten Schluchten Chinas werden über 600 Kilometer überflutet. 1,3 Millionen Menschen sollen dafür -- notfalls mit militärischen Mitteln -- zwangsumgesiedelt werden. Unwiderbringliche Kulturgüter werden zerstört oder beeinträchtigt. Dies alles für einen ökologischen Dinosaurier. Das "Wall Street Journal" schreibt, daß das Projekt politisch so riskant sei, "daß nur wenige Banker mit ihm in Verbindung gebracht werden wollen". Das finde ich schon interessant; denn normalerweise sind die Banker nicht so zimperlich. Sie machen eigentlich fast alles mit. Die Bundesregierung, die ständig von ihrer gestiegenen internationalen Verantwortung tönt, kennt solche Berührungsängste nicht. Das Wohl deutscher Bau- und Ausrüstungskonzerne scheint ihr wichtiger zu sein als Menschen- und Umweltrechte. Die Entscheidung des interministeriellen Ausschusses im August, Ausfallrisiken für Geschäfte deutscher Firmen im Zusammenhang mit dem Drei-Schluchten-Staudamm zu übernehmen, belegt aber auch etwas anderes: Parlamentarier und Parlamentarierinnen und die Öffentlichkeit werden aus solchen Entscheidungsprozessen bewußt herausgehalten und ignoriert. Die Bundesbürokratie kam nach der Kleinen Anfrage der SPD zu diesem Thema gerade rechtzeitig aus den Startlöchern, um noch vor der sich abzeichnenden Debatte im Bundestag grünes Licht für die Hermes-Deckungen zu geben. In dem Fall haben Sie recht, Herr Hedrich. Sie haben es nämlich schon im August beschlossen. Es gab grünes Licht, obwohl es für die chinesische Energieerzeugung durchaus machbare und weniger zerstörerische Alternativen gibt. Darüber diskutieren wir im Bundestag. Allerdings kann sich der Vergabeausschuß der Bundesregierung bei seinen Hermes-Entscheidungen kaum auf ökologische, menschenrechtliche Bewertungen stützen. Sie sind bisher schlichtweg nicht vorgesehen. Das Umweltministerium hat keinen Einfluß auf die Vergaben, von Umweltorganisationen ganz zu schweigen. Deshalb unterstützen wir eine verbindliche Vergabepraxis nach ökologischen und entwicklungspolitischen Faktoren, wie im Antrag der Grünen gefordert, natürlich nicht nur in China, sondern auch in Rußland und sonstigen Ländern. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Bürgschaft zurückzuziehen. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst zwei Feststellungen. Erstens. Der Bundesregierung liegen Anträge auf Übernahme einer Ausfuhrgewährleistung, einer sogenannten Hermes-Bürgschaft, im Zusammenhang mit dem Drei-Schluchten-Projekt am Yangtse in China vor. Wegen ihrer Verpflichtung zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen antragstellender deutscher Unternehmen kann die Bundesregierung keine Einzelheiten, weder Namen noch Zahlen, Herr Kollege Hauchler, zu den Deckungsanträgen mitteilen. Zweitens. Die Bundesregierung hat für die Geschäfte grundsätzliche Deckungszusagen übernommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, in der bisherigen Debatte sind doch viele Klischees gepflegt worden. Es ist schon erstaunlich -- lassen Sie mich das zunächst sagen, Herr Kollege Hauchler --, was Sie alles in diese Entscheidung hineingeheimnist haben. Ich kann das im einzelnen gar nicht alles wiederholen. Dabei ist doch ganz klar: Die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen ist im Haushaltsgesetz geregelt, einem Gesetz, das dieses Parlament beschlossen hat. Dieses Gesetz verweist hinsichtlich der Einzelheiten auf die Richtlinien über die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen. Damit ist ein klarer Rahmen für Entscheidungen des interministeriellen Ausschusses gegeben, innerhalb dessen sich dieser auch bewegt hat. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hauchler? Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Eine gestatte ich. Bitte sehr. Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Es ist sehr lieb, daß Sie eine gestatten. -- Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß man nicht prinzipiell das Verfahren der Geheimhaltung ändern müßte? Denn das Geschäftsgeheimnis von großen Konzernen kann nicht vor dem Recht des Steuerzahlers und der Öffentlichkeit stehen, bei solchen Vorgängen, die den Steuerzahler in so großer Höhe belasten? Sie können nicht sagen, das Geschäftsgeheimnis ist wichtiger als das Recht des Steuerzahlers, wenn er einstehen muß. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß das grundsätzlich geändert werden muß? Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, daß, auch wenn wir den heutigen Status akzeptieren oder nicht ändern, im Prinzip das Projekt hier ohne Nennung der Firmen in seiner ganzen Problematik besprochen werden kann und daß Sie das umgangen haben? Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Zum ersten bin ich nicht der Meinung, daß wir das Prinzip der Geheimhaltung ändern müssen. Ich glaube, es hat sich bewährt. Es ist mir auch kein Fall bekannt, der Anlaß gäbe, hier über eine Änderung nachzudenken. Zweitens. Wir können dieses Projekt natürlich ohne Nennung von Firmennamen oder von Zahlen besprechen. Ich tue das. Ich stelle nur fest, daß einige Abgeordnete -- ich glaube, Sie waren einer von denen, Herr Kollege Hauchler -- Namen und Zahlen genannt haben. Dann sollten wir uns bitte alle und insgesamt daran halten. Ich will fortfahren. Ich habe auf das Haushaltsgesetz und die Ausführungsrichtlinien hingewiesen. Diese Richtlinien stellen als Überprüfungskriterien auf die Förderungswürdigkeit und die risikomäßige Vertretbarkeit eines Geschäftes ab. Die Umwelt- und auch die Sozialverträglichkeit eines Projektes sind dabei zwei wichtige, im Rahmen der Förderungswürdigkeit zu prüfende Aspekte. Bei der Entscheidung über die vorliegenden Anträge zu dem Drei- Schluchten-Projekt wurde daher neben der wirtschaftlichen auch die umwelt- und sozialpolitische Bedeutung überprüft. Da Hermes-Deckungen in erster Linie die Förderung deutscher Exporte zum Ziel haben, war zunächst zu berücksichtigen, daß sich durch das Projekt große Auftragschancen für deutsche Unternehmen mit positiven Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung ergeben. Nutznießer sind unter anderem auch mittelständische Unternehmen. Natürlich führt eine Beteiligung deutscher Unternehmen auch zu einer Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern, hier vor allem zu einem wertvollen Technologietransfer zum Beispiel im Turbinen- und Generatorbau. Hauptzweck des Projekts ist der Hochwasserschutz. Daneben ist das Projekt aber auch von energiewirtschaftlicher Bedeutung. Geplant ist der Bau von Wasserkraftwerken mit einer installierten Kapazität von 18 200 Megawatt. Das entspricht acht Prozent der gegenwärtigen chinesischen Stromerzeugungskapazität und kann damit 15 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von je 1 200 Megawatt, also schon größere Einheiten, ersetzen. Das Projekt stellt damit einen wichtigen und auch umweltfreundlichen Beitrag zum Abbau des Energieengpasses in China dar. Problematisch erscheint manchen Kritikern des Projekts insbesondere die mit der Flußregulierung des Jangtse verbundene Umsiedlung von rund einer Million Menschen. Wir haben den Eindruck gewonnen, daß die notwendigen Maßnahmen in verantwortlicher und auch in finanziell abgesicherter Weise getroffen werden. Zu beachten ist auch, daß durch die Regulierung des Unterlaufs des Jangtse, der in regelmäßigen Abständen von Hochwasserkatastrophen heimgesucht wird, ein Hochwasserschutz für 20 Millionen Menschen geschaffen wird. Auch dies ist in die Abwägung mit einzubeziehen. Wir haben das getan. Wir haben auch die Auswirkungen des Drei-Schluchten-Projektes auf die Umwelt geprüft. Diese Auswirkungen sind auch von den Chinesen selbst sehr sorgfältig untersucht worden. Wir meinen, daß die positiven Effekte überwiegen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Generell gilt, daß China zu den Ländern gehört, die über die größte Erfahrung im Dammbau verfügen. Hierzu gehören auch die Wasserkraft sowie die Beherrschung von Umwelt- und Umsiedlungsproblemen. Zu den Hinweisen auf die Haltung der US-Regierung und der Weltbank in vorliegendem Antrag ist anzumerken: Die US-Regierung hat nach den Erkenntnissen der Bundesregierung nur entschieden, auf der Grundlage der ihr bisher vorliegenden Informationen keine Unterstützung für amerikanische Exporte zu gewähren. Eine abschließende Entscheidung der US-Eximbank liegt noch nicht vor. Es wurde hier gesagt, die Weltbank habe abgewunken. Nach unseren Informationen ist die Weltbank von der chinesischen Regierung überhaupt nicht um Unterstützung gebeten worden. Insofern stellt sich die Frage einer Weltbank-Beteiligung nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle Ihnen, den Antrag abzulehnen. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/5399 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? -- Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Vor Aufruf der Tagesordnungspunkte 10, 11 und 12 will ich Ihre Zustimmung dazu einholen, daß die Kollegen ihre Reden zu diesen Tagesordnungspunkten zu Protokoll geben wollen ). Sind Sie damit einverstanden? (Beifall) -- Vielen Dank. Wir müssen trotzdem noch abstimmen und haben einen letzten Punkt, zu dem auch noch debattiert wird.