Plenarprotokoll 13/128 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 5 zu Tagesordnungspunkt 9 (Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Hermes- Bürgschaften für den Drei-Schluchten-Staudamm in China) Erich G. Fritz: ...?... Jangtse erregen Mißtrauen. Das ist berechtigt, denn die Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten mit staatlichen Großinvestitionen waren unter ökonomischen, ökologischen, entwicklungspolitischen und sozialen Gesichtspunkten nicht immer positiv. Vielmehr spielten oft Prestigedenken und Gigantomanie von Regimen eine Rolle. Es lohnt sich deshalb, ein solches Projekt vor einer wie auch immer gearteten deutschen Unterstützung genau unter die Lupe zu nehmen. Dies gilt auch für das Drei-Schluchten-Projekt. In den letzten Monaten ist dazu eine Fülle von Material zusammengetragen worden. Es liegt eine Bewertung der Gruppe "Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED)" vor. Presse und Fernsehen haben sich der Frage gewidmet. Die KFW hat das Projekt geprüft. Schließlich hat auch die Bundesregierung über verschiedenste Quellen Informationen eingeholt. Die öffentliche Diskussion in früheren Jahren hat sich also gelohnt. Die Prüfung der Fakten kommt im vorliegenden Fall zu differenzierten Antworten. Eine pauschale Ablehnung auf Grund falscher Entscheidungen in der Vergangenheit hilft nicht weiter und ist auch nicht sachdienlich. Der Antrag der Grünen/Bündnis 90 hat ja auch nur vordergründig das konkrete chinesische Projekt im Auge. Genaugenommen geht es ihm um eine Änderung der Bewertungskriterien von Hermes-Bürgschaften. Zunächst aber gilt es, einen Fehler im Antrag zu berichtigen: Es wird im Antrag gesagt, es hätten weder die Weltbank noch andere internationale Institutionen geplant, sich finanziell an dem Projekt zu beteiligen. Richtig ist, daß die chinesische Regierung die Weltbank gar nicht gebeten hat, sich zu beteiligen. Eine Ablehnung -- aus welchen Gründen auch immer - - ist also aus der Tatsache, daß sich die Weltbank nicht beteiligt, nicht abzulesen. Vielmehr gibt es Informationen, die darauf hinweisen, daß sich die Weltbank beteiligt hätte, wenn man denn gefragt worden wäre. Zu den einzelnen Forderungen des Antrags der Grünen an die Bundesregierung ist folgendes zu sagen: 1.Die Grünen fordern, generell keine staatlichen Ausfuhrgewährleistungen für das Drei-Schluchten-Projekt zu bewilligen. Diese Forderung hätte nur dann einen Sinn, wenn die Prüfung des Projekts zu dem Ergebnis käme, daß es unter allen Umständen abzulehnen ist und das Projekt auf diese Weise angehalten werden könnte. Schon die Vorbereitung der Baumaßnahmen und der Stand der Ausschreibungen zeigen jedoch, daß das Projekt auf jeden Fall verwirklicht wird. 2.Die Grünen wollen, daß die Bundesregierung feststellt, daß eine bundesdeutsche finanzielle staatliche Beteiligung nicht in Frage kommt. Diese Forderung erübrigt sich, da die Bundesregierung nicht beabsichtigt, mit einer staatlichen finanziellen Beteiligung in das Projekt einzusteigen. 3.Die dritte Forderung, die chinesische Seite auf deutsche Bedenken hinzuweisen, hätte nur dann einen Sinn, wenn die Abwägung der Gesichtspunkte für und gegen das Projekt tatsächlich zu dem in der Forderung enthaltenen Ergebnis käme. 4.Die Grünen fordern, ein formalisiertes Verfahren zur systematischen Erfassung und Gewichtung von ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Faktoren und Kriterien bei der Vergabe von Hermes-Bürgschaften einzuführen. Dazu ist zu sagen, daß solche Kriterien auch bereits heute Bestandteil der Prüfung sind, zugegebenermaßen allerdings nicht in der verlangten Systematik und Gewichtung. Dazu möchte ich anmerken, daß im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Handel ein solches Vorgehen auf Dauer richtig sein wird und deshalb wie in Forderung 5 verlangt, auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Bestandteil des Vergabeverfahrens von Hermes-Bürgschaften nicht rundweg abgelehnt werden sollte. Diesen Forderungen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings entgegenzuhalten, daß eine solche Veränderung der Praxis zu Vergabezeiten führen würde, die deutsche Unternehmen an vielen Stellen aus dem Wettbewerb ausschalten. Deshalb ist die einzige Forderung, die weiterführen kann, die Forderung Nr. 6, nämlich zu prüfen, in welcher Weise die Einführung eines formalisierten Verfahrens zur Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit staatlichen Bürgschaften auf internationaler Ebene -- also der Europäischen Union und der OECD -- vorangetrieben werden kann. Ein solcher Prüfauftrag würde sich auch in die Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen des WTO- Prozesses und den Versuch einfügen, Umweltstandards in die Welthandelsordnung einzuführen. Zum Projekt selbst: Der Baubeginn war im Dezember 1994. 1997 wird der Umleitungskanal fertiggestellt sein und die Baustelleneinrichtung abgeschlossen sein. Aus Japan ist bekannt, daß die Ausschreibung für die Generatoren bereits seit Juni läuft und bis Ende 1996 abgeschlossen sein wird. Das Projekt hat drei Zwecke: Hochwasserschutz für 30 Millionen Menschen, Energieerzeugung, Verbesserung der Schiffbarkeit des Chongqing. Dagegen sind abzuwägen ökologische Probleme wie die Auswirkung auf Pflanzen und Tiere, Probleme mit Schadstoffen aus Abwässern und Mülldeponien, eine vermutete Beeinträchtigung des Schlammtransports sowie eine Versalzung der Mündungsgebiete. Dagegen muß allerdings die Erzeugung sauberer Energie bilanziert werden. Ebenfalls damit verbunden sind soziale Probleme, die in der Umsiedlung von 1,3 Millionen Menschen bestehen. Auf der sozialen Seite müßten allerdings auch die ökonomischen Auswirkungen einer sicheren zusätzlichen Energieversorgung bilanziert werden. Von ausschlaggebender Bedeutung für das Projekt ist der Hochwasserschutz für den Unterlauf des Jangtse, wo es regelmäßig zu verheerenden Überschwemmungen kommt. Erneute Katastrophen wie 1954, als 30 000 Menschen ums Leben kamen, 30 000 Quadratkilometer Ackerland verwüstet wurden und die Eisenbahnverbindung zwischen Nord- und Südchina drei Monate unterbrochen war, können sich jederzeit wiederholen. Das Projekt wird für die Monsunzeit einen Speicherraum von 22 Milliarden Kubikmeter zur Verfügung stellen und dadurch die Hochwasserspitzen für den Unterlauf verträglich machen. Übrigens gibt es diese Überschwemmungen nicht erst, seitdem die Abholzungen am Oberlauf des Flusses geschehen sind, sondern sie lassen sich an Hand von Markierungen bis in das zwölfte Jahrhundert zurückverfolgen. Wer eine nachhaltige Entwicklung will, muß besonders das Thema saubere Energieerzeugung ernst nehmen. Das Drei- Schluchten-Projekt wird die Energieversorgung Chinas wesentlich verbessern und damit die ökonomische Entwicklung beschleunigen. Die Kapazität, die vorgesehen ist, entspricht 8 % der gegenwärtigen chinesischen Stromerzeugungskapazität. Es müssen für diese Kapazität 15 Kohlekraftwerke von je 1 200 MW nicht gebaut werden. Dies ist bei einer angenommenen Erhöhung der Verbrennung von Steinkohle von 1,2 auf 2 Milliarden t jährlich in China ein kaum hoch genug einzuschätzender Beitrag zur Verminderung von CO2. Da der Jangtse eine große fließende Wassermenge hat, wird hier nicht wie etwa beim Assuan-Staudamm ein großer ruhender See entstehen. Der Jangtse bleibt ein fließender Fluß. Daß durch dieses Projekt die Transportkapazität des Flusses bis zur Stadt Chongqing von 12 auf 50 Millionen t jährlich steigen kann, ist für die Verkehrsinfrastruktur Chinas ebenfalls von großer Bedeutung. Gegen diese Vorteile sind die ökologischen und sozialen Probleme abzuwägen. Die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt sind wie bei jedem Staudammprojekt nicht unproblematisch, ganz offensichtlich aber nicht so weit abweichend, daß dies eine völlige Ablehnung des Projektes rechtfertigen würde. Problematisch ist wohl die Tatsache, daß Industriedeponien, Bergwerkshalden und Müllkippen im Überflutungsbereich liegen und bisher nicht geklärt ist, was damit geschehen wird. Kein Problem scheint der Schlammtransport zu sein. Durch die Fließgeschwindigkeit und die Tatsache, daß kein ruhender See entstehen wird, sowie die Vielzahl der sedimenthaltigen Zuflüsse unterhalb der Staumauer lassen keine großen Auswirkungen erwarten. Auf Grund dieser Tatsache ist auch mit einer dem Nildelta vergleichbaren Versalzung im Mündungsgebiet nach Aussage von Fachleuten nicht zu rechnen. Das größte Problem ist die Umsiedlung von 1,3 Millionen Menschen. Eine Mitwirkung der betroffenen Menschen ist offensichtlich nicht vorgesehen. Auf der anderen Seite ist aus Kreisen der Weltbank zu hören, daß aus anderen Staudamm- und Wasserkraftprojekten in China bekannt sei, daß die Chinesen die damit verbundenen Probleme kompetent und verantwortlich lösen könnten. Die vorgesehenen Entschädigungsregelungen und Umsiedlungsleistungen stehen diesem Eindruck zumindest nicht entgegen. In die Betrachtungsweise der sozialen Folgen müssen natürlich der Vorteil einer sicheren und sauberen Energieversorgung und die daraus entstehenden Wachstums- und Einkommensmöglichkeiten eingehen. Obwohl der Versuch einer Gegenüberstellung von Vorteilen und Nachteilen natürlich daran mangelt, daß sie nicht mit gleichgewichtigen Indikatoren bilanziert werden können, scheint mir doch das Urteil angebracht, daß im Vergleich zu anderen Projekten ähnlicher Art bei diesem die Vorteile insgesamt überwiegen werden. Für die Frage, ob aus dieser Einschätzung eine Zustimmung zu Hermes-Bürgschaften entstehen kann, ist zunächst von Bedeutung, daß das Projekt offensichtlich in der Vorbereitung bereits weit fortgeschritten ist. Von Bedeutung ist auch, wie sich andere G-7- oder OECD- Staaten verhalten. Dazu ist bisher bekannt geworden, daß die US-Ex/Im-Bank eine Beteiligung nicht abgelehnt hat. Aus Frankreich und Kanada ist bekannt, daß Exportgarantien gegeben werden. Unter solchen Garantien sind auch unmittelbare Wettbewerber der im Grünen-Antrag genannten deutschen Unternehmen. Aus dieser Tatsache ergibt sich, daß die Bundesregierung durch die Verweigerung von Hermes-Bürgschaften keinerlei Druckmittel in Sachen Menschenrechte in der Hand hätte. Deshalb bleibt der Bundesregierung an dieser Stelle nur übrig, nach den geltenden Hermes-Kriterien zu entscheiden. Ich hätte mir allerdings vorgestellt, daß die Bundesregierung die Entscheidung bis zur Diskussion dieses Antrages zurückgestellt hätte.